Israelkritik

Israelkritik hat Konjunktur. Sie zieht sich durch alle Schichten der Gesellschaft und der Medien. Viele sehen in Israel, der einzigen Demokratie im Nahen Osten die größte Gefahr für den Weltfrieden. Nicht in der aggressiven Atompolitik eines iranischen Mullah-Regimes, nicht in der brutalen Diktatur des syrischen Machthabers Assad, nicht in kommunistischen Systemen Nordkoreas oder Chinas, sondern in Israel, einem Land mit 9 Millionen Einwohnern. Der Spiegel-Journalist Matthias Matussek erklärt: „Die Mehrheit im Land ist israelkritischer geworden, ich habe mich in die Gegenrichtung aufgemacht. Ich finde, ich habe die besseren Gründe.“

Allein der Begriff „Israelkritik“ ist einmalig und eigentlich absurd. Gibt es den Begriff China- oder Deutschlandkritik? Empirische Studien zeigen, dass die Projektion klassischer antisemitischer Stereotype auf den jüdischen Staat heute zu den einflussreichsten Formen des Judenhasses gehört. Die heute vorherrschende Form von Antisemitismus kommt nach Aussage der Soziologin Julia Bernstein im Gewand von Israelkritik daher. „Die meisten Juden in Deutschland fühlen sich von israelbezogenem Antisemitismus bedroht“, erklärt die Wissenschaftlerin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Viele Deutsche fühlten sich anscheinend verpflichtet, Israel kritisieren zu müssen, stellt die Professorin für soziale Ungleichheiten und Diskriminierungserfahrungen an der Frankfurt University of Applied Sciences fest. Israel werde mehr als andere Länder unter die Lupe genommen. Mit dem Anspruch, Kritik darzustellen, unterlaufe Antisemitismus im Gewand der Israelkritik die Ächtung und mache scheinbar überkommenen Antisemitismus wieder sagbar. „Antisemitismus ist längst zum Mainstream geworden“, attestiert eine Studie des Kantor-Zentrums der Universität Tel Aviv. Er sei „so weit fortgeschritten, dass er die Fortsetzung des jüdischen Lebens in vielen Teilen der Welt in Frage stellt.“ Beängstigend erscheint die Gleichgültigkeit vieler, die damit dieser Stimmung Nachdruck verleihen.

Israelfreunde, aber auch Freunde der Demokratie und des Rechts sind aufgefordert für Israel einzustehen. Man braucht nicht alles gutzuheißen, was die Politik Israels macht. Nicht die Kritik ist das Problem, sondern die in Kritik eingepackte Feinschaft gegen das Land. Man darf die Frage stellen: Wieso fühlen sich ausgerechnet in Deutschland, einem Land, das für den Holocaust und die Vernichtung von mindestens 6 Millionen Juden verantwortlich ist, so viele aufgerufen, Israel zu kritisieren? Wieso kritisiert man nicht islamistische Terrorgruppen wie Hamas oder die schiitische Hisbollah, die tausende Raketen auf Israel abfeuern, Millionen Dollar in den Krieg gegen den jüdischen Staat investieren, anstatt ihre Bevölkerung zu versorgen? Die ihre Kinder als menschliche Schutzschilde mißbrauchen. Hamas schützt ihre Waffen mit Zivilisten, Israel schützt seine Zivilisten mit Waffen.

Ziemlich offen wird die Delegitimierung des jüdischen Staates betrieben. Eine besonders unrühmliche Rolle spielen dabei die Kirchen. Katholische Bischöfe vergleichen die Situation in Ramallah mit dem Warschauer Ghetto, in protestantischen Kreisen versucht man Israel theologisch den Boden zu entziehen.

2005 zog sich Israel komplett aus dem Gazastreifen zurück. Siedlungen wurden aufgelöst. Politiker und Medien in Europa sprachen von einem Schritt in die richtige Richtung auf dem Weg zum Frieden. Doch Ergebnis des Rückzugs war nicht mehr Sicherheit oder Frieden. Im Gegenteil: Seitdem befindet sich Israel unter Dauerbeschuss der Hamas. Der Personen- und Sachschaden ist groß, Im Süden Israels leben die Bewohner in ständiger Lebensgefahr. Die Hamas feierte den Rückzug als Sieg. Die lange Geschichte gescheiterter Verhandlungen mit der arabischen Seite hat gezeigt, daß Sehnsucht nach Frieden allein nicht ausreicht. Israel war immer bereit zu Kompromissen, hat Zugeständnisse gemacht, Gebiete aufgegeben, Siedlungen geräumt, Schritte eingeleitet, um den Palästinensern Grundlagen für eine Selbstverwaltung zu ermöglichen. Bereits vor der Staatsgründung 1948 akzeptierte die jüdische Führung internationale Pläne zur Teilung des Landes, einschließlich der UN-Resolution 181 von 1947, die eine Teilung des Mandatsgebiets „Palästina“ in einen jüdischen und arabischen Staat vorsahen. Diese wurden von arabischer Seite gewaltsam zurückgewiesen, wie schon zuvor den Plan der Peel Commission von 1937 und dem britischen „Weißbuch“ (1939), die den Palästinensern Aussichten auf die Gründung eines eigenen Staates boten.

Nach 1948 zeigten die arabischen Staaten mehr Interesse an der Zerstörung Israels, als an der Gründung eines eigenen Palästinenser-Staates. Warum wurden nach der völkerrechtswidrigen Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens zwischen 1948 und 1967 durch Jordanien bzw. Ägypten keine Anstalten gemacht, einen palästinensischen Staat zu gründen? 1993 willigte Israel in weit reichende Zugeständnisse ein, einschließlich der Gründung der palästinensischen Autonomiebehörde PA im Westjordanland und im Gazastreifen. Israelische Politiker boten in Madrid, Camp David und Taba Kompromisse für Frieden an. Arafat wies sie zurück, entschied sich, den Terror und die Gewalt gegen den jüdischen Staat fortzusetzen.

Seit den frühen Anfängen des Staates Israel und bereits vor seiner Gründung zeichnet sich ein Muster ab: Jeder Kompromiss, jedes Opfer für Frieden von Seiten Israels wird von arabischer Seite mit Zurückweisung und Verweigerung von Zugeständnissen beantwortet. Der Nahost-Konflikt ist inzwischen Schauplatz einer weltweiten Auseinandersetzung im Zeichen des Islam. Im Zentrum dieses Kampfes steht Israel, steht der Kampf um Jerusalem.