Arye Sharuz Shalicar ist quasi von Geburt Spezialist für den neuen deutschen Antisemitismus: Er ist mit ihm aufgewachsen. Als Kind persischer Juden, die nach Deutschland emigrierten, besuchte er Berliner Schulen, in denen Jugendliche »mit Migrationshintergrund« den Ton angeben. Was das bedeutet, erfuhr Shalicar schon in den 90er-Jahren, gut zwei Jahrzehnte, bevor es in Deutschland als Problem erkannt wurde.
Er hat die Bedrohungen und Übergriffe, denen er als jüdischer Schüler eines Gymnasiums in Berlin-Wedding ausgesetzt war, in seinem ersten Buch Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude in beklemmender Ausführlichkeit geschildert. Ihm blieb nichts anderes übrig, als Protektion bei einem kurdischen Clan zu suchen, in dessen kriminelle Aktivitäten er involviert wurde.
Der Weg ins »Milieu« schien vorgezeichnet. Doch Shalicar ging nach Israel, studierte an der Hebräischen Universität Jerusalem, wurde wegen seiner Sprachkenntnisse Pressesprecher der israelischen Armee im Rang eines Majors und arbeitet heute in einer Regierungsbehörde.
Seit seiner Kindheit kennt Shalicar die Welt muslimischer Jugendbanden von innen. Er hat einzigartige Einblicke in die Mentalität arabischer und türkischer Jugendlicher in Deutschland gewonnen, insbesondere in ihren religiös-kulturell geprägten Judenhass. Als israelischer Presseoffizier lernte er später die ebenso unbeirrbare Israelfeindlichkeit deutscher Medienleute kennen, etwa von Absolventen der berühmten Henri-Nannen-Schule in Hamburg, die er als antiisraelische Propagandaschmiede schildert.
Nach einem Treffen mit ihnen fragt er sich, »wo wir denn nur drei Generationen nach dem Holocaust hingekommen seien, dass ein Vertreter einer jüdischen Sicherheitsorganisation, und das auch noch in Jerusalem, dermaßen von Deutschen attackiert wird. Ich spürte ihren Hass mir und allem gegenüber, was ich vertrete.«
Die große Gefahr sieht Shalicar darin, dass der Judenhass heute aus allen Richtungen kommt. Aus authentischen Einblicken skizziert er ein Tableau der gegenwärtigen judenfeindlichen Strömungen in Deutschland. Erstens: »aggressiver muslimischer Judenhass«, zweitens: »deutsche Leitmedien«, drittens: »intellektueller linksradikaler Israelhass«, viertens: »rechtsradikaler Antisemitismus«, fünftens: »christlicher Antisemitismus«, sechstens: »Selbsthass als Beruf – die Alibi-Juden«. Shalicar kommt zu dem traurigen Ergebnis, »dass Deutschland auf dem besten Wege ist, für Juden in vielen Gegenden schlicht und einfach unbewohnbar zu werden«.
Auch über die generell sich verschlechternde Sicherheitslage in Deutschland ist Shalicar im Bilde: »Gespräche mit Vertretern deutscher Sicherheitsbehörden bereichern mich enorm. Über ihre Ausführungen erhalte ich meiner Meinung nach das präziseste Bild Deutschlands und seiner heutigen Gesellschaft (…). Nicht wenig Frust herrscht unter ihnen bezüglich der Politik, die sie ›im Stich lässt‹ in ihrem täglichen Kampf gegen kriminelle arabische Großfamilien, Drogenkartelle und radikale Islamisten.«
Beides zusammen, eine von Medien erzeugte antiisraelische, in ihren Konsequenzen judenfeindliche öffentliche Stimmung und die degradierende öffentliche Sicherheit, erzeugen jene neue Lebensunsicherheit der deutschen Juden, die zwar von den Politikern beklagt, aber nicht wirksam bekämpft wird. Die Folge daraus sei, so Shalicar, »dass Juden (…) sich generell die Frage stellen, ob sie überhaupt zu Deutschland gehören«. (Jüdische Allgemeine)
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